Der Wein nimmt einen besonderen Platz im Herzen der Kreter ein und ist wichtiger Bestandteil fast aller Veranstaltungen in ihrem Alltag. Es ist unbekannt, wann man begann, dieses gesegnete Produkt auf der Insel herzustellen.
Der offizielle Eintritt Kretas in die Welt der «Wein-Kulturen» wird für Mitte des 3. Jahrtausends angenommen. Aus dieser Zeit stammen verkohlte Traubenkerne, Stängel und andere Bestandteile, die in der protominoschen Siedlung Myrtos in einem großen Pokal und einem Krug entdeckt wurden. Es scheint sogar, dass letzterer zur Gärung des Mostes benutzt wurde.
Ähnliches lassen auch ägäische Inschriften aus dem 2. Jahrtausend annehmen, in denen sehr viele Zeugnisse zum Wein enthalten sind, der von den Mykenern mit dem griechischen Wort woinos benannt wird. Er erscheint jedoch häufiger in Form der kretischen Hieroglyphen-Schrift, der Linearschriften A und B, auf Tafeln, Siegeln und minoischen Tongefäßen, welche dieses Produkt wohl beinhalteten.
Auch die Weinpresse bei Vathipetro, einer minoischen Villa, die zwischen dem Weingut Emmanouil Michalakis und der Ortschaft Archanes gelegen ist, beweist den Weinanbau in minoischen Jahren, da die Weinpresse auf ca. 1600 v.Chr. datiert wird. Außer der Weinpresse brachten archäologische Ausgrabungen auch Weinherstellungsanlagen und Lager ans Licht, in denen Tongefäße zu ihrer Lagerung benutzt wurden.
In der minoischen Kulturepoche spielte die Weinproduktion eine bedeutende Rolle und Kreta war einer der bedeutendsten Weinproduzenten dieser Zeit. Amphoren mit den lieblichsten Weinen gelangten auf minoischen Schiffen in die gesamte Mittelmeerwelt, von den Inseln der Ägäis bis nach Ägypten und dem Libanon.
Der kretische Wein hatte seine höchste Blütezeit während der römischen Periode mit dem berühmten kretischen passum. In dieser Epoche existierten auf der Insel viele Keramikwerkstätten, deren Hauptbeschäftigung die Herstellung von Tongefässen für den Transport des Weins darstellte. Teile dieser Gefäße wurden in verschiedenen Orten an den Küsten des Mittelmeers aufgefunden und beweisen so die Exportaktivitäten der Kreter.
Man kann den Worten des arabischen Eroberers Abu-Hafs Omar entnehmen, dass auf Kreta in der frühchristlichen Zeit großer Wohlstand herrschte, da er aussagte, dass es sich um ein Land handelt, in dem Milch und Honig fließe. Die Beschäftigung der Bewohner mit dem Weinbau und der Weinproduktion dauert bin in die byzantinische Epoche hinein.
Im Jahr 1271 hielt nur ein einziger Notar, Pietro Scardon, in den ersten 8 Monaten den Weinkauf und -verkauf von 6800 Mista, also mehr als 85.000 l fest. Der kretische Wein erzielte zudem weitaus höhere Preise als beispielsweise die Weine aus der Romagna, nämlich im Verhältnis 1:1,6 (Br. Imhaus).
Der Leser der Reisebücher über Kreta mag manchmal den Eindruck haben, dass die Reisenden, die Kreta besuchten, nicht nur die Insel mit ihren Menschen, Monumenten, Flora und Fauna kennenlernen wollten, sondern auch den brennenden Wunsch verspürten, den berühmten kretischen Wein und insbesondere den Malvasia an seinem Ursprungsort zu kosten.
Felix Faber (1483), Jean Palerne (1585), Villamont (1600) und viele andere beziehen sich in ihren Schriften ausführlich auf den Wert der kretischen Weine. 1590 schreibt der deutsche Reisende Sommers: «die Insel ist für den Handel von Wein und Honig wohlbekannt. Der Liatiko wird zu 3 Kronen pro Fass angeboten und der Malvasier zu 18 Kronen. Der beste Muskatwein stammt aus dem Raum Rethymnon. Der beste Malvasier jedoch und der beste Liatiko kommen aus der Region von Chandax» (Chandax war die damalige Bezeichnung von Heraklion, Malvesin diejenige des heutigen Malevisi, eines Bezirkes der Präfektur Heraklion).
Seitdem haben die Kreter niemals aufgehört, mit dem größten Engagement für ihre Weinberge und den Wein zu sorgen. Und immer waren das Klima und die Erde Kretas die idealen Mitkämpfer. Die frischen Winde der Ägäis des Nordens, die Höhenzug des Psiloritis im Süden, der die warmen Winde aus Afrika fernhält, die fruchtbare Erde und die ausgewählten Rebsorten gaben und geben den kretischen Weinbergen die besonderen Eigenschaften, die für den kretischen Wein so typisch sind.